Die Grüne Partei hat einen für die Schweiz historischen Wahlsieg errungen. Zusammen mit den Grünliberalen gewann das ökologische Lager über neun Prozent Wähleranteil hinzu. Weil die SP im Verhältnis zum Gewinn zu den Grünen relativ wenig verlor, gewann das rotgrüne Lager insgesamt über vier Prozent hinzu, während das rechtsbürgerliche Lager mehr als fünf Prozent verlor. Eine derart deutliche Richtungswahl gab es in der Schweiz seit Einführung des Proporzsystems 1919 noch nie. Auch das Ausmass der Bewegung gleicht eher einem Wahltag, wie er in den parlamentarischen Mehrheitsdemokratien im europäischen Umland üblich ist, als den typischen inkrementellen Verschiebungen des schweizerischen Systems. Die Vorwahlbefragungen haben die Trendrichtung der Wahlen klar vorausgesehen, deren Ausmass jedoch unterschätzt.
Ein Faktor für den deutlichen Linksrutsch im Nationalrat ist die Einschätzung der politischen Ausrichtung des bisherigen Rats. Fast die Hälfte der Teilnehmenden an der Wahl sind der Ansicht, dass der Nationalrat in seiner alten Zusammensetzung zu rechts positioniert ist. Entsprechend kann die aktuelle Wahl auch als Korrekturwahl angesehen werden. Nach Bekanntgabe der provisorischen Ergebnisse (am Sonntag um 16 Uhr) wurden die Befragten gefragt, wie sie denn die Zusammensetzung des neuen Nationalrats beurteilen. Dabei zeigt sich ein bemerkenswertes Resultat. 44 Prozent der Wählenden, die diesen Rat soeben gewählt hatten, sind der Ansicht, dass dessen Ausrichtung nun zu links sei – das heisst exakt gleich viele, die zuvor angegeben hatten, der alte Rat sei zu rechts. Dies deutet darauf hin, dass die Wählenden, zumindest unter dem ersten Eindruck der Resultate, die Wahl offenbar tendenziell als Überkorrektur einschätzen.
60 Prozent der Wählenden sind der Ansicht, dass die Grünen (oder allenfalls die Grünliberalen) aufgrund des Wahlergebnisses einen Sitz im Bundesrat erhalten sollten. Interessant ist dabei besonders die Haltung der Wählenden der CVP. Als Mehrheitsmacherin in der Bundesversammlung ist sie entscheidend für die Frage, ob ein Wechsel mehrheitsfähig ist. Dabei zeigt es sich, dass eine Mehrheit von 55 Prozent der CVP-Wählerschaft sich einen Bundesrat aus dem ökologischen Spektrum wünscht. Interessanterweise unterstützen dies auch 48 Prozent der Wählenden der FDP.
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